Vitamin B12 und Vitamin C

 

Vitamin B12 und Vitamin C

Zerstört Vitamin C Vitamin B12? Darf man die Vitamine zusammen einnehmen? Kann Vitamin C die B12-Aufnahme behindern?

Zerstört Vitamin C Vitamin B12?

Immer wieder tauchen im Internet Berichte auf, die davor warnen, Vitamin C und Vitamin B12 zusammen einzunehmen, da hochdosiertes Vitamin C das Vitamin B12 zerstören würde.

Bis heute ist jedoch nicht geklärt, ob dieser Effekt wirklich existiert. Zwar kann Vitamin C unter Laborbedingungen Vitamin B12 zersetzen, es herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, ob dies auch unter biologischen Bedingungen eine Rolle spielt.

Bisher konnte in keiner einzigen Studie gezeigt werden, dass Vitamin C die Aufnahme von Vitamin B12 verhindert. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über alle bisher zum Thema veröffentlichten Studien.

Ist Vitamin C inkompatibel mit Vitamin B12?

Die Diskussion, die heute besonders in Blogs und Internetforen geführt wird, geht auf eine Studie aus 1974 von Herbert und Jacob zurück, (1) welche postulierte, Vitamin C würde das Vitamin B12 auf dem Weg durch den Verdauungstrakt und beim Transport im Blut zerstören. Die Einnahme von hochdosiertem Vitamin C könne so zu einem Vitamin-B12-Mangel führen, befürchteten die Autoren. Diese Überlegung wiederum ging auf frühe Studien aus den fünfziger Jahren zurück, die zeigen konnten, dass Vitamin B12 in einer wässrigen Vitamin-C-Lösung zum Teil zerstört wird. (2, 3)

Der Vermutung von Herbert wurde zwei Jahre später jedoch von Newmark et. al. widersprochen, die zeigen konnten, dass Vitamin B12 in Nahrungsmitteln bei Körpertemperatur völlig stabil gegenüber Vitamin C ist und eine Interaktion im Körper damit höchst unwahrscheinlich. Das Vitamin B12 ist in Nahrungsmitteln an Proteine gebunden, die es vor der Zersetzung schützen.

Herbert und Jacob veröffentlichten 1978 eine weitere Studie, in der die Forscher berichten, niedrige Vitamin-B12-Spiegel bei Patienten gefunden zu haben, die hochdosiertes Vitamin C zu sich nehmen.(5) Der Effekt war jedoch nicht eindeutig reproduzierbar und trat nur bei einigen Personen auf. Die Studie kam letztlich zu dem Schluss, dass große Mengen Vitamin C die Messwerte – nicht die B12-Versorgung – negativ beeinflussen können, wenn die Serumprobe vor dem Radioassay erhitzt wird. Dieser Effekt ließ sich weder durch Hitze noch durch Vitamin C alleine erreichen, sondern nur durch eine Kombination aus beidem und auch nur bei bestimmten pH-Werten. Der scheinbare Verlust an Vitamin B12 war also möglicherweise der Prozedur des Messverfahrens geschuldet.

Diese Hypothese konnte 1980 von einem Forscherteam in zwei Studien bestätigt werden: Der scheinbare Verlust an Vitamin B12 in der Ausgangsstudie von Herbert war ein Artefakt des Messverfahrens. (6, 7)

Behindert Vitamin C die Aufnahme von Vitamin B12?

Offen war nun die Frage, in welchem Umfang dieser an den Blutproben beobachtete Effekt eine biologische Rolle spielen könnte. Weitere Untersuchungen in den nächsten Jahren zeigten hier aber kaum Grund zur Besorgnis.

Ein Aufsatz aus 1980 untersuchte die Hypothese nach physikalischen Parametern und kam zu dem Schluss, dass Hydroxocobalamin bei bestimmten Temperaturen und pH-Werten eine Anfälligkeit für Vitamin C haben könnte, alle anderen Formen aber aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften unter biologischen Bedingungen aber stabil bleiben sollten.(8)

Eine Studie aus 1981 untersuchte den B12-Status von 20 Patienten, die seit vielen Jahren hochdosiertes Vitamin C zu sich nahmen und konnte keinen negativen Effekt auf den B12-Haushalt feststellen. (9)

Watson et al konnten 1982 zeigen, dass Vitamin C zwar tatsächlich Hydroxocobalamin unter bestimmten Bedingungen angreifen kann, diese jedoch in vivo vermutlich nicht gegeben sind. Die Aufnahme von Cyanocobalamin verbesserte sich durch Vitamin C sogar. Auch bei der Einnahme von 2000mg Vitamin C konnte bei den Probanden keine Behinderung oder Zerstörung von Vitamin B12 beobachtet werden. (10)

Eine weitere Studie aus diesem Jahr konnte zeigen, dass bei in Wasser aufgelösten Multivitaminpräparaten Teile des Cobalamins durch Vitamin C und Kupfer zerstört werden können. (11)

Versuche an Ratten aus 1989 kamen zu dem Schluss, dass Vitamin C die Aufnahme von Cyanocobalamin sogar verbesserte, ein Effekt, der ja auch in vorigen Studien beobachtet worden war. (12)

1999 wurde das Thema nochmals in einer Kontrollstudie untersucht. Diese sollte durch einen Vergleich der Blutspiegel bei 10.000 Versuchspersonen feststellen, ob ein erhöhter Vitamin-C-Spiegel zu niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln führte. Die Studie konnte aber keinen solchen Zusammenhang finden. (13)

Mit diesen Studien wurde zunächst Entwarnung gegeben und das Thema nicht weiter untersucht.

Zerstörung von Vitamin B12 durch Vitamin C

Die Forschungen wurden erst 2014 wieder aufgenommen. Eine ausführliche Studie konnte hier zeigen, dass in wässrigen Lösungen mit hochdosiertem Vitamin C sowohl Cyanocobalamin als auch Hydroxocobalamin bei Raumtemperatur teilweise zerstört werden. (14) Dieser Effekt war bei allen ph-Werten von 1 bis 8 zu beobachten, wobei der Effekt bei einem pH-Wert von 5 am Größten war. Diese Studie bestätigte also die ältesten Beobachtungen aus den fünfziger Jahren und konnte dabei erstmals die genaue Rate des Zerfalls und die einzelnen Abbauprodukte genau untersuchen.

Der Bereich der hier studierten pH-Werte deckt sowohl den Bereich ab, der bei der Herstellung und Formulierung von Vitamin-Präparaten besteht, als auch die Bedingungen im menschlichen Verdauungssystem.

Diese Studie legt nahe, dass zum Beispiel bei der Herstellung von hochdosierten Multivitamin-Präparaten durchaus eine Zerstörung des Vitamin B12 stattfinden könnte – eine These, die auch in den achtziger Jahren bereits aufgetaucht war.

Vitamin B12 in Nahrungsmitteln hingegen ist an Proteine gebunden, die es vor dem Zerfall schützen. Auch im Körper ist der Großteil des Vitamin B12 an verschiedene Proteine wie den Intrinsic Factor und Transcobalamin gebunden und vermutlich ebenfalls immun gegen die negativen Auswirkungen des Vitamin C.

Die Frage, inwiefern die Interaktion mit Vitamin C unter biologischen Bedingungen eine Rolle spielt, bleibt daher leider weiterhin unbeantwortet.

Fazit Vitamin C und Vitamin B12

Auch wenn Vitamin C bestimmte Formen von Vitamin B12 unter Laborbedingungen angreifen kann, ist bisher nicht belegt, dass dies eine biologische Rolle spielt: Bisher gibt es keine Studie, die einen negativen Effekt von hochdosiertem Vitamin C auf die Aufnahme oder Verwertung von Vitamin B12 zeigen konnte.

Auf der anderen Seite, ist gut belegt, dass Vitamin C im Labor chemisch isoliertes Vitamin B12 zerstören kann. Dies könnte durchaus relevant für Multivitaminpräparate sein, besonders wenn diese als wässrige Lösungen vorliegen.

Auch bei der gleichzeitigen Einnahme von hochdosiertem Vitamin C und Vitamin B12 kann es theoretisch zu Interaktionen kommen. Besonders dann, wenn der Intrinsic Factor fehlt und die passive Diffusion den Großteil der B12-Aufnahme stellt, da das B12 hier nicht an Intrinsic Factor gebunden ist und damit angreifbarer wird. Noch fehlen jedoch Studien, die dies eindeutig belegen würden und einige Studien berichten sogar, dass Vitamin C die Aufnahme von Vitamin B12 vielmehr verbessert.

Bisher gibt es darum kaum Grund zu der Annahme, dass eine relevante negative Interaktion stattfindet. Wer jedoch alle Risiken ausschließen möchte, kann bei einer hochdosierten Vitamin-C-Therapie mit mehr als 500mg vier Stunden Abstand zwischen den Präparaten einhalten.

Quellen

  1. Herbert V, Jacob E. Destruction of Vitamin B12 by Ascorbic Acid. JAMA. 1974;230(2):241-242.
  2. Frost DV et al L. Differential stability of various analogs of cobalamin to vitamin C. Science. 1952 Aug 1;116(3005):119-21.
  3. Hastings H. Hutchins, Patricia J. Cravioto, Thomas J. Macek, A Comparison of the Stability of Cyanocobalamin and Its Analogs in Ascorbate Solution. Journal of the American Pharmaceutical Association (Scientific ed.), Volume 45, Issue 12, 1956, Pages 806-808, ISSN 0095-9553
  4. Newmark HL, Scheiner MS, Marcus M, Prabhudesai M. Stability of vitamin B12 in the presence of ascorbic acid. Am J Clin Nutr. 1976 Jun;29(6):645-9.
  5. Herbert V, Jacob E, Wong KT, Scott J, Pfeffer RD. Low serum vitamin B12 levels in patients receiving ascorbic acid in megadoses: studies concerning the effect of ascorbate on radioisotope vitamin B12 assay. Am J Clin Nutr. 1978 Feb;31(2):253-8.
  6. Marcus M, Prabhudesai M, Wassef S. Stability of vitamin B12 in the presence of ascorbic acid in food and serum: restoration by cyanide of apparent loss. Am J Clin Nutr. 1980 Jan;33(1):137-43.
  7. Newmark HL, Scheiner JM, Marcus M, Prabhudesai M. Ascorbic acid and vitamin B12. JAMA. 1979 Nov 23;242(21):2319-20.
  8. Hogenkamp HP. The interaction between vitamin B12 and vitamin C. Am J Clin Nutr. 1980 Jan;33(1):1-3.
  9. Ekvall S, Chen IW, Bozian R. The effect of supplemental ascorbic acid on serum vitamin B12 levels in myelomeningocele patients. Am J Clin Nutr. 1981 Jul;34(7):1356-61.
  10. Watson WS, Vallance BD, Muir MM, Hume R. The effect of megadose ascorbic acid ingestion on the absorption and retention of vitamin B12 in man. Scott Med J. 1982 Jul;27(3):240-3.
  11. Kondo, H., Binder, M. J., Kolhouse, J. F., Smythe, W. R., Podell, E. R., & Allen, R. H. (1982). Presence and formation of cobalamin analogues in multivitamin-mineral pills. Journal of Clinical Investigation, 70(4), 889–898.
  12. Thenen SW. Megadose effects of vitamin C on vitamin B-12 status in the rat. J Nutr. 1989 Aug;119(8):1107-14. PubMed PMID: 2778537.
  13. Simon JA, Hudes ES. Relation of Serum Ascorbic Acid to Serum Vitamin B12, Serum Ferritin, and Kidney Stones in US Adults. Arch Intern Med. 1999;159(6):619-624.
  14. Ahmad I, Qadeer K, Zahid S, Sheraz MA, Ismail T, Hussain W, Ansari IA. Effect of ascorbic acid on the degradation of cyanocobalamin and hydroxocobalamin in aqueous solution: a kinetic study. AAPS PharmSciTech. 2014 Oct;15(5):1324-33.

Bild: Lemon von Andrew Magill Lizenz: cc-by