Vitamin B12 als Antioxidans, zur Entgiftung und gegen Entzündungen

Vitamin B12 ist ein kraftvolles Antioxidans, lindert systemische Entzündungen und kann auch zur Entgiftung eingesetzt werden.

Vitamin B12 – neue Wirkung als anti-entzündliches Antioxidans

Neben den bekannten Wirkungen des Vitamin B12 als Coenzym legen zahlreiche Forschungsergebnisse diverse weitere Wirkmechanismen des Vitamin B12 nahe, die über die bekannten Funktionen hinausgehen. Insbesondere zeigt sich dabei, dass Vitamin B12 vermutlich ein wichtiges und extrem potentes intrazelluläres Antioxidans ist.

Oxidativer Stress wird als zentraler Mechanismus hinter vielen Krankheitsbildern vermutet – aktuelle Studien zeigen nun, dass die antioxidativen Wirkungen des Vitamin B12 offenbar eine viel größere Rolle bei den Symptomen eines Vitamin-B12-Mangels spielen, als bisher vermutet.

Vitamin B12 zeigt außerdem starke anti-entzündliche Wirkungen. Die entsprechenden Forschungen zeigen überraschenderweise, dass Vitamin B12 offenbar als eine Art Botenstoff fungiert, der die Immunantwort moduliert und diverse Reaktionskreisläufe steuert.

Zuletzt wird Vitamin B12 schon länger klinisch zur Entgiftung bei Rauchvergiftungen eingesetzt und zeigt in neueren Studien eine schützende Wirkung vor den Schäden durch Nano-Partikel.

Dieser Artikel fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen.

Die systemischen Wirkungen des Vitamin B12

Die neuen Forschungen zeigen 3 große neue Wirkbereiche des Vitamin B12

  1. Antioxidative Wirkungen
    Glutathion: Vitamin B12 schützt das Glutathion und fördert die Bildung von Glutathion
    Sauerstoffradikale: Vitamin B12 schützt vor Sauerstoffradikalen
    Stickstoffradikale: Vitamin B12 schützt vor Stickstoffradikalen
    Homocystein und MMA: Vitamin B12 ist nötig zum Abbau von Homocystein und MMA
  2. Anti-entzündliche Wirkungen
    Immunmodulation: Vitamin B12 unterdrückt die entzündlichen Immunbotenstoffe NF-KB und IL-6
    Stickstoffmonoxid-Syntheasen: Vitamin B12 unterdrückt die unkontrollierte NO-Produktion durch iNOS
    Wachstumsfaktoren: Vitamin B12 reguliert die Wachstumsfaktoren
  3. Immunmodulation
    Bakterien: Die Vitamin-B12-Transportmoleküle hemmen das Wachstum von Bakterien
    Botenstoffe: Vitamin B12 steuert einige Cytokine

Vitamin B12 als Antioxidans

Vitamin B12 hat eine starke direkte und indirekte Wirkung als Antioxidans.

Direkte Wirkungen

  • Vitamin B12 neutralisiert Superoxid-Radikale und ist dabei fast so effektiv wie die Superoxid-Dismutase, dem stärksten Antioxidans des Körpers [1]
  • Vitamin B12 neutralisiert Stickstoffmonoxid-Radikale und ist einer der wichtigsten Gegenspieler bei nitrosativem Stress [2, 3]

Indirekte Wirkungen

  • Vitamin B12 schützt das Antioxidans Glutathion und fördert die Bildung von Glutathion [4]
  • Vitamin B12 ist am Abbau von Homocystein beteiligt. Ein hoher Homocystein-Spiegel führt zu einer erhöhten Bildung von Sauerstoffradikalen und einer erhöhten oxidativen Belastung [5, 6]
  • Vitamin B12 ist am Abbau der Methylmalonsäure (MMA) beteiligt. Ein erhöhter MMA-Spiegel führt zu oxidativem Stress.[7–9]
  • Vitamin B12 steuert wichtige Zellbotenstoffe, die oxidativem Stress entgegenwirken.[10]

Vitamin B12 und Reaktive Sauerstoffspezies (ROS)

O2

Hyperoxid, Superoxid

B12 neutralisiert Superoxid

HO·

Hydroxyl

B12 verhindert Bildung

HOO·

Hydroperoxyl

B12 verhindert Bildung

H2O2

Wasserstoffperoxid

Vitamin B12 verhindert Bildung durch Reduktion von Homocystein

Vitamin B12 und Reaktive Stickstoffspezies

NO-

Stickstoffmonoxid

B12 neutralisiert Stickstoffmonoxid und moduliert seine Bildung

ONOO-

Peroxinitrit

B12 neutralisiert Peroxinitrit und verhindert Bildung

Vitamin B12 – eines der stärksten Antioxidantien des Körpers?

Während man lange Zeit davon Ausging, dass die Wirkungen des Vitamin B12 auf die bekannten Coenzym-Funktionen beschränken, zeigen neuere Untersuchungen diverse weitere Mechanismen, durch die Vitamin B12 einen wichtigen Beitrag zur Zellgesundheit leistet.

Neuere Forschungen gehen sogar davon aus, dass die antioxidativen Wirkungen des Vitamin B12 einen wesentlichen Teil seiner Gesamtwirkung ausmachen könnte und einige schwere Mangelsymptome, wie etwa angegriffene Sehnerven und die daraus resultierenden Sehstörungen , auf den zellulären oxidativen Stress zurückzuführen sind, der sich bei einem Vitamin-B12-Mangel einstellt. So konnte in Versuchen mit Ratten gezeigt werden, dass Vitamin B12 den Sehnerv effektiv vor Superoxid-Radikalen schützt und so das Überleben der Sehnerven sichert.[11]

Auch die mit einem schweren Vitamin-B12-Mangel einhergehenden Gedächtnisstörungen könnten zu einem großen Teil auf den durch einen Vitamin-B12-Mangel ausgelösten oxidativen Stress zurückzuführen sein.[12]

Superoxid ist eines der gefährlichsten Sauerstoffradikale. Der stärkste Gegenspieler des Superoxids in unserem Körper ist das Enzym Superoxid-Dismutase (SOD). Überraschenderweise zeigte sich, dass Vitamin B12 ein fast ebenso effektiver Superoxid-Fänger ist, wie SOD. Dies macht Vitamin B12 generell zu einem der stärksten Antioxidantien. Vitamin B12 wirkt dabei vermutlich in einer Zwischenform, dem Glutathionylcobalamin, einer Verbindung aus reduziertem Vitamin B12 und Glutathion.[13]

Vitamin B12 schützt vor Nanopartikeln

Eine neue Studie aus dem Jahr 2017 konnte zeigen, dass Vitamin B12 Zellen vor Schäden durch Nano-Partikel schützen kann. In der Studie wurde die Wirkung von Vitamin B12 bei einer Belastung mit Silikondioxid-Nanopartikeln untersucht. Nano-Silikondioxid wird trotz seiner bekannten Toxizität in zahlreichen Kosmetika, Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln als Zusatz verwendet.

Vitamin B12 konnte in der Tierstudie Ratten vor Leberschäden durch diese Nanopartikel schützen. [14]

Vitamin B12 und nitrosativer Stress

Neben Sauerstoffradikalen ist Vitamin B12 auch einer der wichtigsten Gegenspieler von Stickstoffradikalen. Vitamin B12 ist darum eines der wichtigsten Therapeutika bei einer übermäßigen Belastung mit Stickoxid-Radikalen, dem sogenannten nitrosativen Stress. Nitrosativer Stress führt zu einer Fehlregulation zahlreicher zellulärer Prozesse und außerdem zu einer vermehrten Bildung von Sauerstoffradikalen. Nitrosativer Stress wird von einigen Forschern als wichtige systemische Ursache zahlreicher chronischer Krankheitsbilder vermutet.[3]

Ein ausführlicher Artikel zu diesem Thema findet sich hier: Vitamin B12 und nitrosativer Stress.

Indirekte antioxidative Wirkungen on Vitamin B12

Neben der direkten Wirkung als Radikalfänger, wirkt Vitamin B12 auch indirekt oxidativem Zellstress entgegen. Hier greifen vor allem wieder die klassischen Funktionen des Vitamin B12 im Abbau von Homocystein und Methylmalonsäure. Beide Substanzen sind einerseits neurotoxisch und führen andererseits zu vermehrtem oxidativem Stress.

Sehr viel überraschender war die Entdeckung, dass Vitamin B12 offenbar auch als eine Art interzellulärer Botenstoff fungiert und diverse Zellprozesse steuert. Vitamin B12 wirkt hier wie eine Art Immunmodulator und induziert die Signalübermittlung auf wichtigen zellulären Signalwegen wie den NfkB, ERK1/2 and AKT Signalwegen, welche zelluläre Schutzprozesse in Gang setzen.[10]

Vitamin B12 gegen systemische Entzündungen

Die neue Rolle des Vitamin B12 als Immunmodulator wird auch in anderen Zusammenhängen erforscht. Dabei zeigte sich das Vitamin B12 einige zentrale Mechanismen chronischer Entzündungsprozesse zu beeinflussen scheint:[15–17]

  1. Vitamin B12 unterdrückt die entzündlichen Immunbotenstoffe NF-KB und IL-6 [18]
  2. Vitamin B12 unterdrückt die unkontrollierte NO-Produktion durch iNOS [17]
  3. Vitamin B12 reguliert die Wachstumsfaktoren [19]

Diese Mechanismen sind derzeit noch wenig erforscht und Interventionsstudien fehlen derzeit völlig. Tier- und Zellversuche legen aber ein großes Potenzial von Vitamin B12 bei allen systemisch-entzündlichen Erkrankungen nahe, wie eine Übersichtsarbeit zusammenfasst:

„Aktuelle Beweise deuten darauf hin, dass hochdosiertes parenterales Vitamin B12 sich als innovativer Ansatz zur Behandlung kritisch kranker Patienten mit systemischem Entzündungssyndrom, insbesondere solcher mit schwerer Sepsis / septischem Schock, erweisen könnte. In dieser Situation könnten Vitamin B12 und Transcobalamin systemische Entzündungen modulieren, indem sie zur entzündungshemmenden Kaskade beitragen und möglicherweise den Krankheitsverlauf verbessern.“ [20]

Vitamin B12 zur Entgiftung

Neben den genannten Mechanismen wirkt Vitamin B12 oxidativem Stress auch in seiner Funktion als Entgifter entgegen. Vitamin B12 neutralisiert unter anderem das Zellgift Cyanid und wird als Gegenmittel bei akuter Rauchvergiftung eingesetzt. [21–24]

In beiden Fällen werden die Gifte durch Vitamin B12 gebunden und mit dem Urin ausgeschieden. Inwiefern Vitamin B12 auch in der Entgiftung weiterer Gifte und Schwermetalle spielen könnte, ist derzeit noch nicht wissenschaftlich geklärt.

Fazit

Auch nach jahrelanger Forschung treten noch neue Wirkmechanismen des Vitamin B12 zutage, die über die bekannten Coenzym-Funktionen hinausgehen. Die neuen Forschungen unterstreichen die Bedeutung des Vitamin B12 für eine normale Zellfunktion und legen neue therapeutische Anwendungsmöglichkeiten nahe. Klinische Versuche fehlen teilweise noch und werden hoffentlich in den nächsten Jahren Klarheit über die Bedeutung des Vitamin B12 als Antioxidans, Entzündungshemmer und Entgifter bringen.

Quellen

  1. Suarez-Moreira E, Yun J, Birch CS, Williams JHH, McCaddon A, Brasch NE (2009) Vitamin B 12 and Redox Homeostasis: Cob(II)alamin Reacts with Superoxide at Rates Approaching Superoxide Dismutase (SOD). Journal of the American Chemical Society 131:15078–15079 DOI: 10.1021/ja904670x
  2. van der Kuy P-HM, Merkus FWHM, Lohman JJHM, ter Berg JWM, Hooymans PM (2002) Hydroxocobalamin, a nitric oxide scavenger, in the prophylaxis of migraine: an open, pilot study. Cephalalgia 22:513–519 PMID: 12230592
  3. Pall ML (2000) Cobalamin Used in Chronic Fatigue Syndrome Therapy Is a Nitric Oxide Scavenger. Journal of Chronic Fatigue Syndrome 8:39–44 DOI: 10.1300/J092v08n02_04
  4. Pastore A, Martinelli D, Piemonte F, Tozzi G, Boenzi S, Di Giovamberardino G, Petrillo S, Bertini E, Dionisi-Vici C (2014) Glutathione metabolism in cobalamin deficiency type C (cblC). J Inherit Metab Dis 37:125–129 PMID: 23568438
  5. Biçer NÇ, Aksoydan E, Zeybek ÇA, Barut K, Kasapçopur Ö (2016) Relationship between vitamin B12, homocysteine and oxidative stress in juvenile idiopathic arthritis. Bakirkoy Tip Dergisi / Medical Journal of Bakirkoy 1–10 DOI: 10.5350/BTDMJB201612101
  6. Herrmann W, Schorr H, Purschwitz K, Rassoul F, Richter V (2001) Total homocysteine, vitamin B(12), and total antioxidant status in vegetarians. Clin Chem 47:1094–1101 PMID: 11375297
  7. Fernandes CG, Borges CG, Seminotti B, Amaral AU, Knebel LA, Eichler P, de Oliveira AB, Leipnitz G, Wajner M (2011) Experimental Evidence that Methylmalonic Acid Provokes Oxidative Damage and Compromises Antioxidant Defenses in Nerve Terminal and Striatum of Young Rats. Cellular and Molecular Neurobiology 31:775–785 DOI: 10.1007/s10571-011-9675-4
  8. Richard E, Jorge-Finnigan A, Garcia-Villoria J, et al (2009) Genetic and cellular studies of oxidative stress in methylmalonic aciduria (MMA) cobalamin deficiency type C (cblC) with homocystinuria (MMACHC). Hum Mutat 30:1558–1566 PMID: 19760748
  9. Fontella FU, Pulrolnik V, Gassen E, Wannmacher CM, Klein AB, Wajner M, Dutra-Filho CS (2000) Propionic and L-methylmalonic acids induce oxidative stress in brain of young rats. NeuroReport 11:
  10. Altaie A (2009) Novel anti-oxidant properties of cobalamin.
  11. Chan W, Almasieh M, Catrinescu M-M, Levin LA (2017) Cobalamin-Associated Superoxide Scavenging in Neuronal Cells Is a Potential Mechanism for Vitamin B12-Deprivation Optic Neuropathy. The American Journal of Pathology. doi: 10.1016/j.ajpath.2017.08.032 DOI: 10.1016/j.ajpath.2017.08.032
  12. Bito T, Misaki T, Yabuta Y, Ishikawa T, Kawano T, Watanabe F (2017) Vitamin B 12 deficiency results in severe oxidative stress, leading to memory retention impairment in Caenorhabditis elegans. Redox Biology 11:21–29 DOI: 10.1016/j.redox.2016.10.013
  13. Birch CS, Brasch NE, McCaddon A, Williams JHH (2009) A novel role for vitamin B12: Cobalamins are intracellular antioxidants in vitro. Free Radical Biology and Medicine 47:184–188 DOI: 10.1016/j.freeradbiomed.2009.04.023
  14. Kadry SM, Osman AAM, Saleh AS, Morsy WA, Kadry S (2018) Prophylactic effect of vitamin b12 against silicon dioxide nanoparticles- induced hepatotoxicity in adult male rats. doi: 10.20959/wjpps20185-11357 DOI: 10.20959/wjpps20185-11357
  15. Wheatley C (2006) A scarlet pimpernel for the resolution of inflammation? The role of supra-therapeutic doses of cobalamin, in the treatment of systemic inflammatory response syndrome (SIRS), sepsis, severe sepsis, and septic or traumatic shock. Med Hypotheses 67:124–142 PMID: 16545917
  16. Wheatley C (2007) The return of the Scarlet Pimpernel: cobalamin in inflammation II — cobalamins can both selectively promote all three nitric oxide synthases (NOS), particularly iNOS and eNOS, and, as needed, selectively inhibit iNOS and nNOS. J Nutr Environ Med 16:181–211 PMCID: PMC2556189
  17. Wheatley C (2007) Cobalamin in inflammation III — glutathionylcobalamin and methylcobalamin/adenosylcobalamin coenzymes: the sword in the stone? How cobalamin may directly regulate the nitric oxide synthases. J Nutr Environ Med 16:212–226 PMCID: PMC2556188
  18. Veber D, Mutti E, Tacchini L, Gammella E, Tredici G, Scalabrino G (2008) Indirect down-regulation of nuclear NF-κB levels by cobalamin in the spinal cord and liver of the rat. Journal of Neuroscience Research 86:1380–1387 DOI: 10.1002/jnr.21599
  19. Scalabrino G (2009) The multi-faceted basis of vitamin B12 (cobalamin) neurotrophism in adult central nervous system: Lessons learned from its deficiency. Progress in Neurobiology 88:203–220 DOI: 10.1016/j.pneurobio.2009.04.004
  20. Manzanares W, Hardy G (2010) Vitamin B12: the forgotten micronutrient for critical care. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 13:662–668 PMID: 20717016
  21. Nguyen L, Afshari A, Kahn SA, McGrane S, Summitt B (2017) Utility and outcomes of hydroxocobalamin use in smoke inhalation patients. Burns 43:107–113 DOI: 10.1016/j.burns.2016.07.028
  22. Hall AH, Borron SW (2015) Cyanide antidotes in current clinical use: hydroxocobalamin. Toxicology of Cyanides and Cyanogens 304–308
  23. Bebarta LCVS, Tanen DA, Boudreau S, Castaneda M, Zarzabal LA, Vargas T, Boss GR (2014) Intravenous Cobinamide Versus Hydroxocobalamin for Acute Treatment of Severe Cyanide Poisoning in a Swine (Sus scrofa) Model. Ann Emerg Med 64:612–619 PMCID: PMC4487531
  24. Fortin JL, Capellier G, Manzon C, Giocanti J, Gall O (2009) Intraosseous administration of hydroxocobalamin in the acute treatment of cyanide poisoning. Burns 35:S15–S16 DOI: 10.1016/j.burns.2009.06.061