Vitamin B12 Mangel und Narkose

B12 und Operationen 

Vitamin B12 Mangel und Narkose

Vitamin B12 und Narkose: Eine Betäubung mit Lachgas verbraucht große Mengen Vitamin B12 und kann zu einem Mangel führen. Infos zu B12-Mangel nach Operation.

Inhalt

  • Warum entsteht durch eine Betäubung mit Lachgas Vitamin B12 Mangel?
  • Was sind die Folgen?
  • Was sollte vor und nach einer Lachgas-Narkose getan werden?

Vollnarkosen und Betäubungen verbrauchen Vitamin B12

Im Rahmen vieler Operationen und ärztlichen Eingriffe wird eine Narkose oder Betäubung nötig. Eines der meist eingesetzen Mittel ist dabei das sogenannte Lachgas (Distickstoffmonoxid, N20). Dieses Betäubungsmittel hat leider die Nebenwirkung, dass durch eine Narkose mit Lachgas bis zu 60 Prozent des im Körper gespeicherten Vitamin B12 verbraucht werden können.

Denn so nötig die Narkose für die Operation oder den Eingriff ist – für den Körper stellt das Lachgas ein Gift da, das unschädlich gemacht werden muss. Dies geschieht, indem Methylcobalamin oder reduziertes Cobalamin mit dem Lachgas reagiert.

Dabei zerfällt Lachgas zu Wasser und nicht-reaktivem Nitrogen und das zentrale Cobalt-Atom im Vitamin B12 wird oxidiert. (1) Die so entstandene, oxidierte Form von Vitamin B12 ist jedoch biologisch inaktiv und kann darum seine wichtige Enzym-Funktionen in der Methionin-Synthese und der Reaktivierung der Folsäure nicht mehr erfüllen. Diese Deaktivierung ist nicht umkehrbar: Das oxidierte Cobalamin wird zunächst in ineffektive B12-Analoga umgewandelt und dann ausgeschieden.

Effektiv verbraucht das Lachgas so große Mengen Vitamin B12 , was in vielen Fällen ein ernstes Gesundheitsrisiko darstellen kann. Durch die Betäubung kann ein Vitamin-B12-Mangel entstehen, mit zum Teil  schweren Symptomen.

Verbreitung von Lachgas in der Anästhesie

Dies ist besonders in Betracht aktueller Entwicklungen bedenklich. Lachgas war über Jahrzehnte der klinische Standard für Narkosen in unterschiedlichen Tiefen, heute ist der Einsatz von Lachgas für Vollnarkosen leicht rückläufig, dafür hat das Betäubungsmittel starken Einzug in Zahnarztpraxen und die Geburtsmedizin erhalten. (2)  Auch in der Dermatologie ist Lachgas stark im Kommen. (3) Bedenklich ist dabei, das besonders in der Zahnheilkunde Lachgas auch für Kinder eingesetzt wird.(4) Bei leichten Operationen und in der Unfallmedizin ist Lachgas nach wie vor der Standard.

Über viele Jahre war Lachgas zudem auch als Partydroge weit verbreitet, die ebenfalls dafür bekannt war, starken Vitamin-B12-Mangel auszulösen. (5)

B12-Mangel durch Lachgas

Durch den erhöhten Vitamin-B12-Verbrauch kann leicht ein Vitamin-B12-Mangel entstehen. Dies kann zum Teil sehr starke Mangelerscheinungen zur Folge haben, die von Depressionen über die Zerstörung von Nerven in Gliedmaßen und Rückenmark bis zu schwerer Blutarmut reichen können.

Besonders häufig treten Nervenschäden auf, da Vitamin B12 für die Bildung der Nerven-Schutzschicht (Myelinscheiden) zuständig ist. Typische Symptome für beginnende Nervenschäden sind Taubheit oder Kribbeln in den Gliedmaßen. Diese treten meist erst Tage nach der Narkose auf, wenn die Schutzschicht der Nerven durch mangelnde Nachbildung beschädigt ist.

Beim Auftreten von B12-Mangelsymptomen nach einer Operation mit Narkose besteht dringender Handlungsbedarf, um bleibende Schäden zu vermeiden.

Mehr Informationen über Symptome unter Vitamin-B12-Mangel-Symptome.

Narkose und Vitamin-B12-Mangel

Besonders kritisch ist der Effekt von Lachgas für Menschen, die bereits vor der Operation einen latenten B12-Mangel aufwiesen.

„Patienten mit Vitamin B12-Mangel sind außerordentlich empfindlich gegen neurologische Schäden in Folge einer Lachgas-Anästhesie. Wenn diese nicht erkannt werden, können die neurologischen Schäden irreversibel sein und zum Tode führen“,

befand bereits eine Studie aus dem Jahr 1993. (6) Diese Einschätzung wurde durch zahllose Fallbeispiele und Studien immer wieder bestätigt. (7-11)

Ebenso kritisch ist die Situation auch bei Kindern: Durch das geringe Lebensalter haben viele Kinder noch keine adäquaten Vitamin-B12-Speicher aufgebaut, so dass eine Narkose hier erhebliche Schäden verursachen kann. Besonders die Folgen auf die Entwicklung von Gehirn und das Nervensystem scheinen beeinträchtigt, weshalb einige Forscher von einer Verwendung von Lachgas in der Pädiatrie abraten. (12, 13)

Trotz dieser sehr ernsten Gefahren wird dieser Zusammenhang auch heute nur wenigen Patienten mitgeteilt und fast nie entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet.

Zwischenfazit

  • Narkosen verbrauchen große Mengen Vitamin B12
  • Es kann ein schwerer B12-Mangel entstehen
  • Vor einer Narkose sollte der B12-Vorrat aufgefüllt werden
  • Nach einer Narkose sollte daher eine Vitamin-B12-Kur durchgeführt werden.
  • Wirkstoffe sollten Methylcobalamin oder Hydroxocobalamin sein

B12 vor einer Narkose oder Betäubung

Bei vielen Risikogruppen ist es ratsam, den B12-Vorrat schon vor der Operation aufzufüllen, um das Abrutschen in einen Mangel durch die Narkose zu verhindern – die Wirkung der Narkose wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Dies ist unter anderem sinnvoll bei:

  • Veganern und Vegtariern
  • Älteren Menschen
  • Kindern

Hier ist eine tägliche orale Einnnahme von 500 µg beginnend 4 Wochen vor dem Eingriff eine sinnvolle Maßnahme.
Die genannten Risikogruppen sollten besonders auch beim Zahnarzt-Besuch darauf achten, ob Lachgas verwendet wird.

Vitamin B12 – ein Muss nach Operationen

Aufgrund der Gefahr eines starken Vitamin-B12-Mangels ist dringend dazu zu raten, nach einer Lachgas-Betäubung eine Vitamin-B12-Kur durchzuführen.

Dies kann entweder in Form einer Kur mit Injektionen erfolgen, oder mit oralen Präparaten.

Injektionen

1000µg pro Woche
2-4 Wochen
Hydroxocobalamin

Oral

500 µg morgens und abends
4-6 Monate
Methylcobalamin oder Hydroxo-/Methylcobalamin

Injektionen werden da nötig, wo sehr starke Symptome auftreten, da auf diesem Wege die Speicher schneller wieder aufgefüllt werden können. Bei einigen Operationen im Magen- und Darmbereich können ebenfalls Injektionen nötig werden, weil eine orale Aufnahme zunächst schwierig ist.

In den meisten anderen Fällen ist eine orale Aufnahme ausreichend um einen Mangel zu vermeiden.

Folgen von Narkosen für den B12-Haushalt

Aufgrund der verheerenden Auswirkungen wurde der Effekt von Lachgas auf den B12-Haushalt bisher nur in Tierversuchen untersucht, die übereinstimmend zu folgendem Ergebnis kamen: (14, 15)

  1. Lachgas zerstört Methylcobalamin und deaktiviert dadurch das Enzym Methionin-Synthetase.
  2. 20 bis 60 Prozent des Methylcobalamin in Plasma, Zellen und Leberspeichern werden zerstört.
  3. Es kommt zu einer verstärkte Bildung von inaktiven B12-Analoga.
  4. Ein Vitamin-B12-Mangel entsteht.

Das Erschreckende an diesen Ergebnissen ist sicherlich, dass nicht nur das Vitamin-B12 im Serum zerstört wird, sondern auch das B12 in den Zellen und sogar den Leberspeichern. Bis zu 60 Prozent des B12 in den Leberspeichern wurde in den Tierversuchen zerstört. Dies ist ein recht dramatischer Verlust, der auf dem Weg über eine normale Ernährung erst nach Jahren wieder ausgeglichen werden kann.

Risiko eines B12-Mangels nach Narkosen

Ob und wie stark der Vitamin-B12-Mangel nach der Narkose ausfällt, hängt maßgeblich vom Vitamin-B12-Status vor der Operation oder dem Eingriff ab:

Bei hohen Vitamin-B12-Spiegeln sinkt das Vitamin B12 nicht bis auf ein kritisches Niveau und erholt sich über einen langen Zeitraum langsam wieder, vermutlich ohne dass dies dem Patienten weiter auffällt. Die unspezifischen Symptome des leichten Mangels werden verständlicherweise meist als Folgen des ärztlichen Eingriffs gewertet.

Bei mittleren bis niedrigen B12-Spiegeln aber ist die Gefahr eines akuten Mangels groß und selbst starke Symptome können auftreten.

In beiden Fällen ist anzuraten, das verbrauchte Vitamin-B12 wieder aufzufüllen. Eine orale Supplementation ist dafür meist ausreichend, es sei denn, schwerste Mangelerscheinungen treten auf oder eine orale Einnahme ist aufgrund der Operation vorübergehend nicht möglich.

Fazit

Die Gefahr eines Vitamin-B12-Mangel durch Narkosen ist hoch und die Folgen ernst. Eine ausgleichende Supplementation ist darum anzuraten, da die hohen Verluste über die Nahrung nur schwer ausgeglichen werden können.

Da vor allem Methylcobalamin zerstört wird, sollte besonders in diesem Fall sollte nicht Cyanocobalamin als Wirkstoff verwendet werden, da hier zu viele Umwandlungsschritte nötig sind. Stattdessen sollten Methylcobalamin oder die Depot-Form-Hydroxocobalmin verwendet werden.

Quellen

  1. Chanarin, I. Cobalamins and nitrous oxide: a review. Journal of clinical pathology, 1980, 33. Jg., Nr. 10, S. 909.
  2. Mohr, B. Lachgasanwendung in der Zahnheilkunde. Zahnmedizin up2date 2014; 8(1): 15-32
  3. Drosner, Michael. Lachgas-Sauerstoff-Inhalation. ästhetische dermatologie & kosmetologie, 2014, 6. Jg., Nr. 3, S. 1-7.
  4. Jeglitsch, A., F. G. Mathers, Bürkle V. Lachgassedierung in der Kinderzahnheilkunde. Stomatologie, 2014, 111. Jg., Nr. 4-5, S. 182-187.
  5. Pema PJ, Horak HA, Wyatt RH. Myelopathy caused by nitrous oxide toxicity. AJNR Am J Neuroradiol. 1998 May;19(5):894-6.
  6. Flippo TS, Holder WD Jr. Neurologic degeneration associated with nitrous oxide anesthesia in patients with vitamin B12 deficiency. Arch Surg. 1993 Dec;128(12):1391-5. Review. PubMed PMID: 8250714.
  7. Marié R, Le Biez E, Busson P, et al. Nitrous Oxide Anesthesia–Associated Myelopathy. Arch Neurol. 2000;57(3):380-382. doi:10.1001/archneur.57.3.380.
  8. Kathryn L. Holloway, M.D., and Anthony M. Alberico, M.D. Postoperative myeloneuropathy: a preventable complication in patients with B12 deficiency. Journal of Neurosurgery. May 1990, Vol. 72, No. 5, Pages 732-736
  9. Pema PJ, Horak HA, Wyatt RH. Myelopathy caused by nitrous oxide toxicity. AJNR Am J Neuroradiol. 1998 May;19(5):894-6. PubMed PMID: 9613506.
  10. Jameson, M et al. Nitrous oxide-induced vitamin B12 deficiency. Journal of Clinical Neuroscience, Volume 6, Issue 2, 164 – 166
  11. Hadzic A, Glab K, Sanborn KV, Thys DM. Severe neurologic deficit after nitrous oxide anesthesia. Anesthesiology 1995, 83(4):863-866
  12. Schmitt EL, Baum VC. Nitrous oxide in pediatric anesthesia: friend or foe? Curr Opin Anaesthesiol. 2008 Jun;21(3):356-9.
  13. Baum, V. C. (2007), When nitrous oxide is no laughing matter: nitrous oxide and pediatric anesthesia. Pediatric Anesthesia, 17: 824–830. doi: 10.1111/j.1460-9592.2007.02264.x
  14. Kondo H, Osborne ML, Kolhouse JF, et al. Nitrous oxide has multiple deleterious effects on cobalamin metabolism and causes decreases in activities of both mammalian cobalamin-dependent enzymes in rats. Journal of Clinical Investigation. 1981;67(5):1270-1283.
  15. Muir, M. and Chanarin, I. (1984), Conversion of endogenous cobalamins into microbiologically-inactive cobalamin analogues in rats by exposure to nitrous oxide. British Journal of Haematology, 58: 517–523. doi: 10.1111/j.1365-2141.1984.tb03999.x