Gastbeitrag 

Homocysteinspiegel: Gefahren durch erhöhtes Homocystein

Ein hoher Homocysteinspiegel erhöht das Risiko diverser Krankheiten. Hyperhomocysteinämie als Ursache von Krankheiten. Homocystein senken mit Vitaminen.

Was ist Homocystein?

Homocystein ist eine Aminosäure, die nicht in der Nahrung vorkommt, sondern ein körpereigenes Stoffwechselprodukt ist, das beim Abbau von Proteinen entsteht.

Homocystein entsteht auch als ein kurzfristiges Zwischenprodukt im Methionin-Stoffwechsel, das normalerweise rasch weiter verwertet wird. Hier für ist Vitamin B12 notwendig, weshalb eine enge Verbindung zwischen Homocystein und Vitamin B12 besteht.

Eine geringe Menge Homocystein ist bei jedem Menschen im Blutplasma vorhanden, ob sich dies schädigend auf bestimmte Körperprozesse auswirkt, hängt unter anderem von der Konzentration der Aminosäure ab.

Wie entsteht ein erhöhter Homocystein-Spiegel?

Ein erhöhter Homocysteinspiegel kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden.

  1. Genetik: Genetisch bedingt ist der erhöhte Hcy-Spiegel nur bei einem Drittel der Menschen.

  2. Vitaminmangel: Bei den restlichen Betroffenen wird der erhöhte Wert durch einen Mangel der Vitamine B12, B6 und Folsäure verursacht, die an Stoffwechselprozessen beteiligt sind, in denen Homocystein abgebaut wird.

Welche Auswirkungen hat ein zu hoher Homocystein-Spiegel?

Homocystein hat gleich auf mehreren Wegen negative Auswirkungen.

Direkte toxische Wirkung und Sauerstoffradikale

Es gibt Hinweise auf eine direkte toxische Wirkung des Homocysteins auf Mitochondrien mit nachfolgender Störung der oxidativen Phosphorylierungsprozesse. Dadurch kommt es zu einer intrazellulärern Anreicherung von schädlichen Sauerstoffradikalen (Wasserstoffperoxid, H202).

Hemmung der Stickstoffmonoxid-Bildung

Gleichzeitig vermindert Homocystein aber auch die Stickstoffmonoxidbildung. Stickstoffmonoxid (NO) wirkt stark gefäßerweiternd, während das H202 die Arterieninnenwände verletzt oder zerstört. Die kleinen Verletzungen führen zu Gerinnungsprozessen mit Anlagerung von Blutplättchen und Fibrin. Zudem lagern sich auch fetthaltige Substanzen an den Arterieninnenwänden an und es kommt zur Plaquebildung.

Plaquebildung in Arterien

Umso mehr Plaque sich an den Innenwänden der Arterien absetzt, umso stärker wird der Blutfluss behindert. Lösen sich Plaqueartikel und verstopfen kleinere Gefäße, kann dies sogar zu Blutgerinnseln führen. Im schlimmsten Fall kann es dadurch zu Myokardinfarkt, einem apoplektischem Insult oder Beinvenenthrombosen kommen. Arteriosklerose kann aber nicht nur Herz und Gehirn schädigen, sondern auch andere Organe.

Erkrankungen, wie beispielsweise Diabetes, werden auch durch einen erhöhten Homocysteinwert negativ beeinflusst.

Erhöhtes Homocystein als kausale Ursache für Erkrankungen

Ein erhöhter Homocysteinspiegel spielt möglicherweise bei unterschiedlichen Erkrankungen eine ursächliche Rolle. Die genauen Zusammenhänge werden jedoch derzeit noch erforscht und die Rolle des Homocysteins ist noch immer Gegenstand wissenschaftlicher Debatte.

Herz-Kreislauferkrankungen

Ein statistischer Zusammenhang zwischen einem erhöhten Homocystein-Spiegel und dem Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden, ist mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen. (1) Dadurch ist der kausale Zusammenhang jedoch nicht eindeutig geklärt, denn Studienergebnisse konzentrieren sich dabei auf die statistische Häufigkeit des Auftretens eines Herzinfarktes bei einem erhöhten Homocysteinspiegel. (2)

Schlaganfall

Wissenschaftliche Ergebnisse legen zudem den Einfluss erhöhter Homocysteinwerte auf das Auftreten sogenannter zerebrovaskulärer Komplikationen nahe – meist handelt es sich dabei um Schlaganfälle. (3, 4)

Alzheimer und Demenz

Aufgrund der potenziell schädigenden Wirkung auf die Hirnleistung können erhöhte Homocystein-Werte möglicherweise auch die Gefahr von Alzheimer und Demenz erhöhen. (5)

Makuladegeneration

Eine Studie des Augenarztes Dr. Jost Elborg aus Wiesbaden mit 196 Patienten mit Makuladegeneration kam zu dem Ergebnis, dass Homocystein ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung der altersbedingten Makuladegeneration darstellt. Auch andere Studien stützen dieses Ergebnis. (6)

Knochengesundheit

Zwei europaweit durchgeführte Forschungsstudien konnten ein deutliches Zusammenspiel zwischen Knochenschwund und erhöhtem Homocysteinspiegel feststellen. So hat Van Meurs die Hyperhomocysteineämie (HHCY) in der Rotterdam Study und Longitudinal Aging Study als starken und unabhängigen Risikofaktor für osteoporotische Frakturen bei älteren Personen nachgewiesen. (7)

Homocystein: Ursache oder Marker?

Ist Homocystein tatsächlich die Ursache dieser Erkrankungen oder vielmehr Marker eines Vitamin-Mangels, der die eigentliche Ursache darstellt. Vermutlich ist Homocystein beides: Täter wie auch Indikator. Es ist einerseits selbst ein pathogener Faktor und andererseits auch ein Indikator für einen Vitaminmangel. Die Mechanismen für die verschiedenen Erkrankungen sind sehr unterschiedlich, so dass man nicht alles in einen Topf werfen kann.

Wenn man der Frage nachgeht, ob Homocystein Ursache oder Marker ist, muss man zeigen, dass eine direkte Beziehung zwischen dem Auftreten des Faktors und der Entstehung der Krankheit besteht. Es gibt mehrere Studien, in denen dies nachgewiesen wird.

Bei Osteoporose beispielsweise überwiegt die Aktivität der Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) die der Osteoblasten (Knochenaufbau). Herrmann et al. haben daher Osteoklasten und Osteoblasten in Zellkulturen kultiviert und dem Kulturmedium steigende Mengen an Homocystein (HCY) zugesetzt. Sie konnten zeigen, dass mit steigender HCY-Konzentration im Medium die Aktivität der Osteoklasten ansteigt (gemessen wurden Resorptionsaktivität, tartratresistente saure Phosphatase als Osteoklastenmarker und Kathepsin K). (8) Es konnte so eine klare Dosis-Wirkungsbeziehung dargestellt werden. Ein weiteres Glied in der Beweiskette sind Experimente, die zeigen, dass Hyperhomocysteineämie (HHCY) Osteoporose induziert. (9)

Sato et al. aus Japan konnten dies auch im Menschen nachweisen: Bei hyperhomocysteinämischen Patienten mit hohem Frakturrisiko konnte durch das Senken des Homocysteinspiegels mit Folsäure und Vitamin B12 über 2 Jahre im Vergleich zu Kontrollen das Frakturrisiko deutlich reduziert werden. (10)

Zahlreiche weitere Studien konnten den die Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Homocystein und Volkskrankheiten wie Demenz, Morbus Alzheimer und Schlaganfall nachweisen.

Hohe Homocysteinspiegel vermeiden

Hohe Homocysteinspiegel lassen sich durch eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12, Vitamin B6 und Folsäure vermeiden, die alle an Prozessen beteiligt sind, die Homocystein abbauen. Besonders Vitamin B12 und Folsäure spielen hier eine zentrale Rolle.

Gastbeitrag

Prof. Dr. med. habil. Dr. rer. nat. Wolfgang Herrmann
Prof. Dr. Hermann ist Laborleiter des Klinisch-Chemischen Zentrallabors der Universitätskliniken des Saarlandes. Er forscht rund um das Thema Homocystein, leitete den Weltkongress „Hyperhomocysteinämie“ in Saarbrücken und schreibt als Experte für das Homocystein-Netzwerk. (http://www.homocystein-netzwerk.de)

 Quellen

  1. Shai I, Stampfer MJ, Ma J, Manson JE, Hankinson SE, Cannuscio C, Selhub J, Curhan G, Rimm EB. Homocysteine as a risk factor for coronary heart diseases and its association with inflammatory biomarkers, lipids and dietary factors. Atherosclerosis. 2004 Dec;177(2):375-81.
  2. Mager A(1), Orvin K, Koren-Morag N, Lev IE, Assali A, Kornowski R, Shohat M, Battler A, Hasdai D. Impact of homocysteine-lowering vitamin therapy on long-term outcome of patients with coronary artery disease. Am J Cardiol. 2009 Sep 15;104(6):745-9. doi: 10.1016/j.amjcard.2009.05.011.
  3. Casas, Juan P., et al. Homocysteine and stroke: evidence on a causal link from mendelian randomisation. The lancet, 2005, 365. Jg., Nr. 9455, S. 224-232.
  4. HE, Yusheng, et al. Homocysteine level and risk of different stroke types: A meta-analysis of prospective observational studies. Nutrition, Metabolism and Cardiovascular Diseases, 2014, 24. Jg., Nr. 11, S. 1158-1165.
  5. Obeid, Rima; Herrmann, Wolfgang. Mechanisms of homocysteine neurotoxicity in neurodegenerative diseases with special reference to dementia. FEBS letters, 2006, 580. Jg., Nr. 13, S. 2994-3005.
  6. Christen WG, Glynn RJ, Chew EY, Albert CM, Manson JE. Folic acid, pyridoxine, and cyanocobalamin combination treatment and age-related macular degeneration in women: the Women’s Antioxidant and Folic Acid Cardiovascular Study. Arch Intern Med. 2009 Feb 23;169(4):335-41. doi: 10.1001/archinternmed.2008.574.
  7. Van Meurs, J.B.J., Dhonukshe-Rutten, R.A.M., Pluijm, S.M.F., Van der Klift, M., De Jonge, R., Lindemans, J., De Groot, L.C.P.G.M., Hofman, A., Witteman, J.C.M. (2004). Homocysteine levels and the risk of osteoporotic fracture. The New England Journal of Medicine, vol. 350, 20, 2033-2041.
  8. Herrmann M, Widmann T, Colaianni G, Colucci S, Zallone A, Herrmann W. Increased osteoclast activity in the presence of increased homocysteine concnetrations. Clin Chem. 2005 Dec;51(12):2348-53;
  9. Herrmann M, Wildemann B, Claes L, Klohs S, Ohnmacht M, Taban-Shomal O, Hübner U, Pexa A, Umanskaya N, Herrmann W; Clin Chem. 2007 Aug;53(8):1455-61. Experimental hyperhomocysteinemia reduces bone quality in rats.
  10. Sato Y, Honda Y, Iwamoto J, Kanoko T, Satoh K; Effect of folate and mecobalamin on hip fractures in patients with stroke: a randomized controlled trial; JAMA. 2005 Mar 2;293(9):1082-8